Bonn drunter und drüber

März 17, 2017 von Diana Scheffen - 2 Kommentare

Über den Dächern und unter dem Asphalt

Unter dem Asphalt

Ich war noch nie unter meiner Universität: Diese Aussage stimmt nicht mehr. Denn ich habe mich in die Gewölbe unter meiner Alma Mater gewagt. Unter fachkundiger Führung bin ich die Stufen hinabgestiegen und habe eine Welt voller Bücher, Akten und spannender Geschichten gefunden.

Bonn drunter und drüber

Verwinkelte Gänge, niedrige Decken, mindestens ein Geheimgang, den man über eine an der Wand befestigte Leiter erreicht – und die „Todeszelle“. Es ist erstaunlich warm hier unten, etwa 25° C. Mit einer solchen Temperatur rechnet man in einem Keller nicht. Das liegt an den dicken Heizungsrohren, die nah über meinem Kopf verlaufen. Ausnahme: Die „Todeszelle“. Hier ist es schaurig kalt. Bevor nun grausige Bilder in den Köpfen herumspuken: Die „Todeszelle“ heißt so, weil hier Papier gelagert wird, das über kurz oder lang im Schredder landen soll. Kreative Studenten haben einigen Räumen Namen gegeben, um sich besser orientieren zu können. Ich mache den Witz mit der Pyramide, aus der man nicht mehr herausfindet. Die anderen schauen mich ein wenig beklommen an und spinksen heimlich nach den Bodenmarkierungen. Die laufen allerdings in alle Richtungen, sind also keine Hilfe bei der Orientierung.

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Die Geschichte der Universität Bonn

Hier unten im Archiv ist die Geschichte der Universität Bonn dokumentiert.

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Es wäre eine schöne Einstimmung auf das Studium, wenn Erstsemester hier heruntergeführt werden würden und sich die Akten von Studenten aus früheren Jahrhunderten ansehen dürften. Die Akten der Studenten aus dem 19. Jahrhundert enthalten handgeschriebene Benimmzeugnisse, die für den Laien nur schwer zu entziffern sind. Für den einen oder anderen Studenten mit einem ausschweifenden Lebenswandel ist die eingeschränkte Lesbarkeit sicher nicht von Nachteil. Die Studenten von damals wechselten häufig die Universität, um von vielen verschiedenen Professoren zu lernen. Die Zeugnisse waren wichtig für die Aufnahme an einer anderen Universität. Schuldete man zum Beispiel einem anderen Studenten Geld, so war das ehrenrührig und hatte negative Auswirkungen auf den Ruf. Was hat die Studenten damals umgetrieben?

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Ich würde gerne eine Zeitreise unternehmen und es mir genau ansehen. Ein Wermutstropfen bei dieser Vorstellung: Geschlechtsgenossinnen hätte ich unter den Studierenden nicht gefunden und ich hätte mich wohl verkleiden müssen, wenn ich eine Vorlesung hätte hören wollen – denn damals waren nur Männer zum Studium zugelassen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts durften in Deutschland endlich auch Frauen studieren.

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Ein winziges Gewölbe, ganz hinten durch, diente in dem Film „Ohne Baedeker durch Bonn“ als Miniaturkneipe. Es gibt eine Szene, in der hier gebechert wird. Der Schriftzug „Zum Alten Kurfürst“ hängt noch über dem Eingang zu der kleinen Schänke und der Spruch: „Ein Weiser schiesst [sic] nie übers Ziel. Er trinkt bedächtig, aber viel“ ist schon verblasst aber noch lesbar. Ein Teil der Gewölbe diente früher als Weinkeller; allerdings gehörte der Weinkeller nicht der Universität Bonn. Er war an das Weinhaus im dem Gebäude im Mauspfad verpachtet, in dem sich heute der Irish Pub James Joyce befindet. Auf einem Karton sitzt ein Rabe. Wurde er für Rezitationen aus Edgar Allan Poes „Der Rabe“ verwendet? Vielleicht findet es jemand heraus und schreibt es in die Kommentare.

Rabe in den Kellergewölben

Wie und wann kann ich die Gewölbe erkunden?

Zum Beispiel im Rahmen der 11. Bonner Wissenschaftsnacht vom 17.- 18. Mai 2018.

Wer nicht so lange warten möchte, kann sich auch über das Universitätsarchiv nach einer Führung erkundigen.

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Über den Dächern

Da man zu dem Ausflug auf das Dach des Stadthauses erst wieder ab Ende April die Gelegenheit haben wird, muss ich an dieser Stelle einen Cliffhanger einbauen und auf meinen nächsten Beitrag verweisen. Die Führung findet 2017 vom 29. April bis zum 28. Oktober immer samstags um 14:30 Uhr statt. Karten bekommt man bei der Bonn-Information, den Vorverkaufsstellen des General-Anzeigers und online unter www.bonnticket.de. Erwachsene zahlen 9 €, ermäßigt 5 €. Achtung: Sehr beliebt! Wer bei schönem Wetter spontan mit dem Aufzug in den 17. Stock und anschließend per pedes die ca. 70 Stufen hinauf möchte, der hat möglicherweise das Nachsehen. Treffpunkt ist an der Bonn-Information: Windeckstraße 1.

Fotos: Michèle Lichte & Diana-Isabel Scheffen


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Diana-Isabel Scheffen wurde in Bonn geboren, hat in Bonn studiert und arbeitet seit ihrem Studienabschluss in – richtig geraten – Bonn. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit verfasst sie Essays und Geschichten. Sie ist Mitautorin des Stadtführers “Endlich Bonn!”. Bei der 2. Auflage, erschienen im Februar 2016, war sie für die redaktionelle Überarbeitung und Aktualisierung zuständig.