Ein Besuch beim Bonner Orgelbauer Klais

Mai 31, 2017 von Diana Scheffen - Ein Kommentar

Abseits der ausgetretenen Touristenpfade

 „Der große Kunstsinn und der unermüdliche Fleiß des Erbauers haben hier durch die meisterhafte Intonation Klänge geschaffen, die wie Engelstimmen aus himmlischen Sphären herabzutönen scheinen und bei geschlossenen Jalousien magisch und geisterhaft den weiten Raum durchzittern.“ Aus dem „Ergebnis der amtlichen Revision“, Dom zu Erfurt, 1906.

Eingang

Man findet sie auf der ganzen Welt und sie kommen aus Bonn – die Orgeln von Traditionsorgelbauer Klais. Der Betrieb liegt in einem schönen alten Fabrikgebäude in der Bonner Kölnstraße. Seit 1882 und inzwischen schon in der vierten Generation werden von der Familie Klais und ihren Mitarbeitern hier alle Register gezogen, um klanggewaltige und langlebige Orgeln zu bauen.

Orgel-Detail

Da die verschiedenen Teile für eine Orgel inzwischen in die ganze Welt geliefert und dort wieder zusammengebaut werden, sind die Bonner Orgelbauer viel unterwegs. Manchmal verbringen sie mehrere Monate in Peking, Brisbane oder auch in Buenos Aires. Auf der Internetseite der Firma Klais gibt es eine Weltkarte, die die Standorte der Klais-Orgeln weltweit anzeigt. Doch als Bonner muss man gar nicht weit reisen, um sich an dem Klang einer Klais-Orgel erfreuen zu können.

Klais-Orgeln in Bonn

In Bonn findet man Klais-Orgeln zum Beispiel in der Kreuzbergkirche, in der Krypta der Kreuzkirche (hier kann man noch Pate einer Orgelpfeife werden), in der Sankt Elisabeth Kirche in der Südstadt (die Planungen für die Orgel begannen bereits 1909 und die Orgel hier gehört zu den wenigen erhaltenen Orgeln ihrer Zeit), in der Sankt Marien Kirche in der Nordstadt, in der Sankt Maria Magdalena Kirche in Endenich, in der Sankt Augustinus Kirche in Duisdorf, in der Sankt Franziskus Kirche (hier gibt es eine Besonderheit: Die Pfeifen des Registers Fagott 16‘ ragen horizontal in den Kirchenraum hinein), in der Sankt Martin Kirche in Muffendorf, in der Christi Auferstehung Kirche in Röttgen und in der Sankt Severin Kirche in Mehlem.

Bonner Orgelbauer Klais-Pressespiegel

Die Orgel im Bonner Münster

Über die Orgel im Bonner Münster heißt es:

„Dabei erschließt sich die Faszination der großen Klais-Orgel nicht nur akustisch, auch optisch ist sie einen zweiten und dritten Blick wert. Gestaltet von dem in Hennef gebürtigen Bildhauer Manfred Saul, zeigt das mit hölzernen Skulpturen geschmückte Gehäuse der Orgel, der so genannte Orgelprospekt, nicht nur biblische Begebenheiten; festgehalten sind auch zeitgenössische Ereignisse wie beispielsweise die erste erfolgreiche Transplantation eines menschlichen Herzens und die ersten Astronauten im All. Auch unter Kunsthistorikern ist die große Münster-Orgel nicht zuletzt deshalb weit über Bonner Grenzen hinaus bekannt.“

Die Orgel in der Sankt Joseph Kirche in Castell

Über die Orgel in der Sankt Joseph Kirche heißt es:

„Um der besonderen Beziehung unserer Werkstatt zu unserer „Hauskirche“ besonderen Wert beizumessen, hat das neue Werk die Opusnummer 2000 erhalten. Damit greifen wir der rein chronologischen Vergabe um ca. 70 Nummern vor. Das gab es in der Geschichte unserer Werkstatt erst zweimal zuvor: 1948 im Kölner Dom mit opus 1000 und 2012 in der Bonner Schlosskirche mit opus 1882 in Erinnerung an unser Gründungsjahr.“

Sowohl im Kölner Dom als auch in der Hamburger Elbphilharmonie steht eine Klais-Orgel

4765 Orgelpfeifen

Ein Prestigeprojekt für Klais war die Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie. Doch das Projekt war nicht ganz einfach. Durch die komplizierte Form der Orgelnische hinter den Rängen musste das große Instrument um die Stahlstützen und -träger herumkomponiert werden. Die Orgel in der Elbphilharmonie sollte nicht wie in einer Kirche erhöht und erhoben, sondern mitten unter den Menschen sein. Daher findet man einige Orgelpfeifen inmitten der Zuschauerränge. Um der Wahrheit die Ehre zu geben muss man sagen, dass die Orgel in der Bonner Beethovenhalle über mehr Orgelpfeifen verfügt – und zwar über 5258. Aber man bewertet eine Orgel ja auch nicht (nur) nach der Anzahl der Orgelpfeifen.

Bonner Orgelbauer Klais-Pfeifenwerkstatt

In Einklang mit Chagall

Die Orgel in der Mainzer Pfarrkirche Sankt Stephan ist ebenfalls ein besonderer Hingucker. Ihre Anmutung ist modern, passt aber sehr gut zu den berühmten Chagall-Fenstern. Die Orgel wurde extra so platziert, dass die Chagall-Fenster nicht von ihr verdeckt werden.

Hubschraubereinsatz für eine Orgel

Eine Klais-Orgel wurde sogar mit dem Hubschrauber angeliefert. 14 Flüge waren nötig, um die jeweils 1.000 kg schweren Pakete zu einem abgelegenen Anwesen in den schottischen Highlands zu bringen.

Früher versus heute

In den Jahren seit der Gründung des Betriebs hat sich einiges verändert: Früher wurden Modelle von den Kirchen oder Konzertsälen und den Orgeln gebaut. Damit fuhr man dann zu den Auftraggebern und zeigte ihnen, wo man die Orgel platzieren könnte und wie das dann aussehen würde. Heute werden fotorealistische Darstellungen angefertigt. Für die Elbphilharmonie hat man mit einem 3D-Modell gearbeitet.

Montage-Saal

Früher fertigte ein katholischer Orgelbauer Orgeln für katholische Kirchen. Heute können sich evangelische Kirchen ebenso an den Orgeln von Klais erfreuen. So kam es, dass auch die evangelische Schlosskirche in der Bonner Universität 2012 zu einer Klais-Orgel kommen konnte.

Früher wurden sehr viele verschiedene Holzarten für den Orgelbau verwendet, zum Beispiel auch Mahagoni. Heute beschränkt man sich auf Eiche, Buche, Kiefer und einige wenige Obsthölzer. Der Orgelbauer Klais verwendet für seine Orgeln Massivholz. Das Holz muss fünf bis sieben Jahre trocknen, bis es in einer Orgel verbaut wird. Es wird draußen gelagert; die Lagerflächen sind zwar überdacht, aber wenn der Regen vom Wind seitlich auf das Holz geweht wird, kann es schon mal nass werden. Das macht dem Holz aber nichts aus, im Gegenteil. Bei dem Holz von Klais ist niemals „der Wurm drin“: Es wird so ausgesucht und gelagert, dass alle Orgeln ohne Holzwurm ausgeliefert werden. Auch das trägt dazu bei, dass man an einer Klais-Orgel lange Freude hat.

Verlorenes Archiv

Im Krieg ist auch der Betrieb von Klais in Mitleidenschaft gezogen worden. Unter anderem ist ein großer Teil des Archivs zerstört worden. Die Unterlagen werden schmerzlich vermisst und müssen bei Bedarf aufwendig rekonstruiert werden.

Führungen

Bei einem Besuch im Betrieb wird man durch alle unterschiedlichen Teile der Werkstatt geführt, zum Beispiel durch die Gießerei und durch die Schreinerei. In der Gießerei wird Zinn auf lange Tische mit einer speziellen hitzebeständigen Schutzdecke gegossen. Daraus entstehen lange Zinnplatten, die anschließend zu Pfeifenkörpern rundiert und gelötet werden. In der Schreinerei entstehen Windladen und Holzpfeifen. Bonner Orgelbauer Klais-Werkstatt Für eine Führung durch den Orgelbaubetrieb sollte man sich frühzeitig anmelden. Die Führungen finden samstags statt und dauern 2-2 ½ Stunden.

Fotos: Franziska Kohm und Diana-Isabel Scheffen


20160613lichtemomente-1604Diana-Isabel Scheffen wurde in Bonn geboren, hat in Bonn studiert und arbeitet seit ihrem Studienabschluss in – richtig geraten – Bonn. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit verfasst sie Essays und Geschichten. Sie ist Mitautorin des Stadtführers “Endlich Bonn!”. Bei der 2. Auflage, erschienen im Februar 2016, war sie für die redaktionelle Überarbeitung und Aktualisierung zuständig.